Mit Herz und Hingabe: Wie Bildung Leben verändern kann

Meine Reise durch Kambodscha war eine der intensivsten Erfahrungen im Bildungsbereich, die ich je gemacht habe. Gemeinsam mit Tim, einem Freund, den mir das Universum vor Ort geschickt hat, tauchte ich tief in das wahre Leben der ärmsten Provinzen Kambodschas ein. Tim teilte seine Geschichten mit mir, geprägt von harter Realität und dem ständigen Kampf ums Überleben. In diesen Gemeinschaften dreht sich alles um den Moment; die Zukunft zu planen ist kaum möglich. Man lebt im Hier und Jetzt, ohne eine andere Wahl zu haben.

Es war ein seltsames Gefühl für mich zu sehen, wie begrenzt die Möglichkeiten sind, überhaupt Bildung zu erhalten, wie ich sie erfahren habe. Förderungen in kreativen Bereichen wie Sport oder anderen Hobbys gibt es dort so gut wie nicht.

Tim spielt dabei eine unglaublich wichtige Rolle. Er unterrichtet kostenlos Englisch, damit die Kinder bessere Chancen für die Zukunft haben. Er hat das Klassenzimmer mit seinem eigenen Hab und Gut renoviert; es gibt keinen Strom, kein Wasser, nur einen lichtdurchfluteten Raum, eine Tafel und wunderschöne Mandalas sowie Buchstabenspiele an der Wand. Er packt die Dinge an und versucht, so viel wie möglich sinnhaft zu unterstützen.

Die Begegnung mit ihm hat mir auch gezeigt, was absolute Liebe für ihn bedeutet. Zu sehen, wie Liebe gelebt wird und von einem Menschen so intensiv gefühlt wird, gab mir einen tieferen Einblick in das, was möglich ist. Dyna, seine Partnerin, starb zwei Monate bevor sie heiraten wollten. Das Schicksal brachte mich zu Tim, um mit ihm meine positive Energie zu teilen, in Momenten, wo er sie wirklich benötigte. Er hilft so vielen anderen und schenkt so viel Energie. Umso schöner war es, sein Haus mit meinem Lachen zu füllen, was ihn sehr berührte.

Ich unterrichtete die Kinder in Karate und half Tim in den Klassen. Vier Klassen am Tag, je eine Stunde. Tim ist kein gelernter Lehrer, jedoch unglaublich liebevoll im Umgang mit Kindern. Seine Regel: Lernen muss Spaß machen! Es ist ein großer Vorteil, dass er Khmer spricht; die Kinder nehmen dich sonst nicht ernst, und das zurecht. Du möchtest Sprachen unterrichten in einem Land, wo du selbst nicht mal die Muttersprache sprichst – einige Lehrer handhaben das so.

Für mich ist das lächerlich. Ich habe manchmal das Gefühl, dass dies eine westliche Haltung ist: Der weiße, westlich sozialisierte Lehrer erachtet es als wichtig, Englisch zu vermitteln, weil das die Weltsprache ist. Mit dieser Haltung kann überhaupt kein sinnhafter Austausch auf Augenhöhe stattfinden. Die Muttersprache zu lernen, um die Kultur und das System besser zu verstehen, ist für mich essentiell. Ich selbst habe die Erwartung an mich, wenn ich eines Tages eine Schule gründe oder was auch immer aus meiner Vision erwachsen mag, werde ich mir die Sprache, die vor Ort gesprochen wird, aneignen. 

In dieser Zeit in Kambodscha habe ich einige Lehrer kennengelernt. Lehrer, die eigentlich nie welche waren und sein wollten und da irgendwie reingerutscht sind. Diese Begegnungen haben mir Hoffnung und Zuversicht geschenkt. Sie hatten einfach Bock auf die Zusammenarbeit mit Kindern und Jugendlichen. Die Lehrer, die ich kennenlernte, die einst im System die Lehrerschaft antraten, waren meist nicht wirklich happy mit ihrer Situation.

Ich habe riesige Unterschiede von Schulen und Kindergärten gesehen, hauptsächlich private Schulen. Aber auch unzählige Geisterschulen, die überall vorhanden sind und niemand vor Ort zu sehen ist. Die tollen NGOs, die Schulen gründen, und dann sieht man nie jemanden dort. Oder vermeintliche Gründer von Schulen, die Geld von den Eltern kassieren für die Bildung ihrer Kinder, und wenige Wochen später ist der/die Gründer/in mit dem Geld verschwunden.

Mit Bildung kann man so viel Geld machen – unglaublich traurig. Viele Eltern vertrauen kaum noch, und auch hier ist ein riesiger Vorteil, wenn du die Sprache sprichst. Hier ein kleines Beispiel:

Tim hat seine Schule – ein Raum – selbst gegründet, hat die Eltern alle aus dem Dorf in den Raum eingeladen, hat erklärt, was er vorhat, wie wichtig ihm die Bildung der heranwachsenden Generation ist, und hat klar zu verstehen gegeben, dass die Kinder hier nicht geschlagen werden und mit Repekt behandelt werden. Daraufhin startete Tim mit 212 Schülern. Einige andere Schulen starten mit weniger als 10 Kindern. 

Diese Tatsache ist leider nicht ungewöhnlich; Kinder werden in Kambodscha sehr viel geschlagen. Daher ist auch ein recht harter Umgang untereinander zu beobachten. Die Schüler gehen morgens zur öffentlichen Schule, und ab 13 Uhr beginnt der Unterricht bei Tim. Alle Altersklassen sind vertreten. Sogar 3- bis 4-Jährige sitzen bei den „Großen“ dabei und wollen auch lesen und schreiben lernen – alles von ganz alleine, angetrieben von der natürlichen Neugierde, über die jedes Kind verfügt.

Diese natürliche Neugierde hat mich in den absoluten Bann gezogen. Die Kids wollen gerne lernen, haben Lust und kommen ganz freiwillig. Sie erhalten ein Gefühl von Sicherheit, Liebe und Empathie dort in der Schule von Tim. Es geht, wir müssen die Kids zu nichts zwingen. Wir sollten eher darüber nachdenken, wie wir für die heranwachsenden gute Vorbilder sein können, denn davon gibt es immer weniger.

Diese Reise hat mir die Augen geöffnet für die Herausforderungen und Chancen im Bildungsbereich in Kambodscha. Es gibt über 6.100 registrierte NGOs im Land, viele davon im Bildungssektor tätig. Doch trotz dieser Präsenz gibt es immer noch zahlreiche „Geisterschulen“, die zwar gegründet wurden, doch nie wirklich betrieben werden. Ganze Schulgebäude stehen leer, weil das ursprüngliche Ziel – Bildung für alle – von Korruption, fehlenden Ressourcen oder mangelndem Engagement untergraben wurde. Und so bleibt die Hoffnung vieler Kinder auf eine bessere Zukunft oft unerfüllt.

Doch dann gibt es Menschen wie Tim. Menschen, die nicht auf große Organisationen warten, sondern einfach machen. Die verstehen, dass Bildung mehr ist als nur Schulbücher und Prüfungen. Bildung bedeutet Gemeinschaft, bedeutet Neugierde fördern, bedeutet einen Raum zu schaffen, in dem Kinder sich entfalten können. Tim hat das geschafft – mit eigenen Mitteln, mit unerschütterlicher Motivation und mit Liebe.

Es hat mich zutiefst berührt zu sehen, wie Kinder freiwillig und voller Begeisterung in seinen Unterricht kamen. Sie lernen nicht, weil sie müssen, sondern weil sie wollen. Es gibt keinen Zwang, keine Strafen, sondern Freude am Lernen. Tim zeigt ihnen, dass Wissen eine Tür sein kann, die sie irgendwann aus dem Kreislauf der Armut hinausführt.

Ich habe viel gelernt in dieser Zeit – nicht nur über das Bildungssystem in Kambodscha, sondern auch über mich selbst. Ich habe gelernt, dass es nicht darauf ankommt, wie perfekt ein Klassenzimmer ist oder wie viele Bücher im Regal stehen. Es kommt auf die Menschen an, die Bildung mit Leidenschaft und Herz weitergeben.

Meine Zeit mit Tim und den Kindern hat mich inspiriert. Ich habe erfahren, dass wir als Einzelne so viel bewirken können, wenn wir einfach anfangen. Dass wir nicht erst auf den perfekten Moment warten müssen. Bildung ist kein Luxus, sondern ein Grundrecht – und doch für viele unerreichbar.

Diese Reise hat mir gezeigt, dass wir umdenken müssen. Dass wir nicht davon ausgehen können, dass unser westliches Bildungssystem das Nonplusultra ist. Es geht nicht darum, Kinder in starre Strukturen zu pressen, sondern sie in ihrer Neugier zu bestärken. Sie ernst zu nehmen, ihre Welt zu verstehen, ihre Sprache zu sprechen.

Ich bin dankbar für diese Erfahrung, für die Begegnungen und für die unzähligen Momente, in denen mir klar wurde: Bildung ist mehr als ein Konzept – sie ist gelebte Menschlichkeit. Und genau da beginnt Veränderung.

 

 

 

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