Ich kann kaum glauben, wie viel in den letzten Tagen in meinem Leben passiert ist. Eine Reinigung meines Geistes von altem Ballast eröffnet mir gerade unzählige neue Möglichkeiten. Nachdem Koh Phayam maßgeblich dazu beigetragen hat, meinen Geist zu öffnen, fällt mir nun eine Gelegenheit nach der anderen vor die Füße. Diese kleine Insel, das Meer, der Dschungel – sie sind mittlerweile ein fester Bestandteil meiner Seele. Schritt für Schritt habe ich hier gelernt, meiner Intuition zu vertrauen, auf mein Bauchgefühl zu hören und das Leben in seiner vollen Tiefe zu genießen. Koh Phayam hat mir gezeigt, was es bedeutet, „Back to the Roots“ zu gehen – mich selbst zu spüren, mich selbst wertzuschätzen und mir die Zeit zu nehmen, zu wachsen. In dieser Zeit ist mir immer mehr bewusst geworden, wie sehr wir in Deutschland darauf konditioniert werden, einfach nur zu funktionieren, statt wirklich zu fühlen. Genau deshalb liebe ich Orte wie diesen, an denen die Natur mein ständiger Begleiter ist und mich immer wieder daran erinnert, was wirklich wichtig ist.
In Koh Phayam habe ich vom Universum die Möglichkeit bekommen, ganz spontan mit den Moken-Kids eine Karate-Session zu leiten. Mein Traum war es schon immer, mit Kindern aus so unterschiedlichen Kulturen zu arbeiten und so viel wie möglich von ihnen zu lernen. Die Moken sind ein Stamm, der einst ausschließlich auf dem Meer lebte. Doch seit dem Tsunami von 2004 wurde ihre Lebensweise auf den Kopf gestellt, und heute dürfen sie aus bürokratischen Gründen nicht mehr auf dem Meer leben, da sie keinem „Staat“ angehören. Es ist spannend, ihre Kultur zu erleben, aber auch traurig zu sehen, wie viele Elemente dieser einzigartigen Lebensweise zunehmend verschwinden. Ein Thema, das mich sehr beschäftigt: Ist es wirklich nötig, dass sie lernen, Englisch zu sprechen und einen Job in unserer Welt zu finden? Oder ist ihre eigene, ursprünglichere Lebensweise nicht genauso wertvoll?
Es war unglaublich bereichernd, mit den Kindern zu arbeiten, und wir hatten eine Menge Spaß. Vielleicht werde ich hier sogar langfristig Karate unterrichten. Außerdem gibt es auf Koh Phayam eine öffentliche Schule, die mich sehr interessiert. Im Januar werde ich wiederkommen, um mehr über das Schulsystem und die Gemeinschaft hier zu erfahren. Ich möchte herausfinden, wie es ist, in so einer eng verbundenen Community zu leben. Denn wenn ich eine Schule gründen möchte, die mehr ist als nur ein Ort sein soll, muss auch eine starke Gemeinschaft dahinterstehen. Deswegen will ich das Leben auf der Insel und ihre Kultur noch näher kennenlernen, um herauszufinden, ob dieses Modell für mich funktioniert.
Mit Tränen in den Augen und AnnenMayKantereit auf den Ohren habe ich Koh Phayam schließlich verlassen und mich auf den Weg zu meiner nächsten Station gemacht: Bang Phra. Die Reise war lang – 2,5 Stunden Fähre, 8 Stunden Bus, dann noch mal 2 Stunden im Bus und schließlich eine Stunde im Tuk-Tuk. Aber irgendwann bin ich dann endlich angekommen, am Ziel meiner Reise: der Mosaic School. Diese private Schule hat sich darauf spezialisiert, Natur und Lernen miteinander zu verbinden. Sie haben auf dem Schulgelände eine Permakultur-Farm, auf der die Schüler aktiv in verschiedene Projekte eingebunden werden.
Die Räumlichkeiten der Schule sind einfach beeindruckend. Innen- und Außenbereiche verschmelzen zu einer harmonischen Symbiose, und das Konzept ist so offen gestaltet, dass man immer auch ruhige Ecken findet, in denen man sich zurückziehen kann. Ich habe mich inzwischen in einem kleinen Versteck der Schule niedergelassen. Da ich direkt hier wohne, kann ich die Atmosphäre des Lernens, die Vielfalt der Möglichkeiten und das Abenteuer des Entdeckens rund um die Uhr genießen.
Die Kinder hier sind unglaublich freundlich und respektvoll – sowohl mir gegenüber als auch untereinander und gegenüber den Lehrkräften. Das fällt mir im Vergleich zu Schulen in Deutschland besonders auf. Die Schule umfasst einen Kindergarten, die Primarstufe, eine Mittelstufe und die Oberstufe. Der Unterricht wird ausschließlich auf Englisch gehalten, was den Austausch mit den Kids wirklich spaßig macht.
Die Lehrer kommen aus den unterschiedlichsten Bildungssystemen und beruflichen Bereichen, was für eine spannende Vielfalt im Kollegium sorgt. Jeder bringt seine eigenen Erfahrungen ein, und die Möglichkeit, voneinander zu lernen, ist allgegenwärtig. Ein Thema, das momentan in allen Klassenstufen behandelt wird, ist die „Reflexion“ im Bezug auf IKT (Informations- und Kommunikationstechnologie), Wirtschaft und Gesundheit. Wie sie das Thema jeweils bearbeiten, hängt von der Altersgruppe ab, und die Lehrkräfte haben viel Freiraum, den Unterricht kreativ zu gestalten.
In den letzten Tagen habe ich zwei Situationen erlebt, die mich tief berührt haben. Eine fand im Matheunterricht statt, als ein Lehrer mit seinem Schüler sprach, der eine Autismus-Spektrum-Störung hat. Der Schüler hatte zwei Aufgaben geschafft und dann aufgehört mitzuarbeiten. Statt ihn zu drängen, sagte der Lehrer ruhig: „Ich weiß, dass du dich manchmal verwirrt und traurig fühlst und es dir dann schwerfällt, dich zu konzentrieren. Aber heute hast du zwei Aufgaben gelöst – das ist schon ein Fortschritt. Zwei mehr als gestern! Das schaffen wir auch morgen.“ Dann machten die beiden einen kleinen Fingerschwur, und ich war so bewegt von der authentischen Empathie und dem respektvollen Umgang, den der Lehrer zeigte. Zack - kamen mir die Tränen, und der Lehrer schaute mich etwas verblüfft an. Ich erklärte ihm, wie sehr mich dieser respektvolle Umgang berührt hat – etwas, das ich in Deutschland, an unterschiedlichen Schulen, so nicht erlebt habe.
Eine ähnliche Situation habe ich im Kindergarten beobachtet. Dort werden Kinder mit besonderen Bedürfnissen selbstverständlich in die Gruppen integriert, und das funktioniert wirklich gut, soweit ich das beobachten kann.
Der Gründer der Mosaic School, Niel, stammt aus den USA und hat die Schule vor etwa 15 Jahren ins Leben gerufen. Es ist beeindruckend zu sehen, was hier alles gewachsen ist. Ich bin den gesamten November über hier und gebe selbst in der Oberstufe Sportunterricht. In allen anderen Fächern unterstütze ich, wo ich kann – sei es in Mathe, Rechtschreibung oder bei gemeinsamen Lernspielen. Alles ist dabei.
Obwohl der Unterricht hier freier gestaltet ist als an einer typischen Regelschule, liegt für meinen Geschmack der Fokus immer noch zu sehr auf dem Frontalunterricht. Dieser ist ein nützliches Werkzeug, aber es gibt so viele weitere Methoden, die unser Gehirn besser ansprechen können. Ich mache mir täglich Notizen und reflektiere intensiv über die Unterrichtsmethoden. Immer wieder habe ich Aha-Momente und genieße es, endlich Zeit zu haben, genau hinzuschauen, Fragen zu stellen und meine Beobachtungen zu notieren.
Am Wochenende habe ich an einem Lehrer-Workshop teilgenommen, in dem wir über die Verbindung von Unterricht und Gartenarbeit gesprochen haben. Wir haben auch darüber nachgedacht, welche interessanten Lerninhalte man hier integrieren könnte. Auch hier sehe ich noch Potenzial zur Verbesserung, doch wie immer heißt es: Schritt für Schritt.
Jetzt geht’s für mich ab in den Naturteich, ein paar Bahnen schwimmen. Gleichzeitig arbeite ich an meinen eigenen Routinen – mehr Achtsamkeit bei Ernährung, Trinken, Atmung und Bewegung. Schritt für Schritt, genauso wie hier im Unterricht. Also, auf ins Wasser!
Auf ein baldiges Wiedersehen im großen Lernuniversum
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